Selten ist die Bedeutung gelungener Kommunikation so einstimmig beschworen worden wie in den Zeiten der Pandemie: Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben die Vermittlungsqualität auf eine Stufe mit der Suche nach angemessenen Sachlösungen gehoben und konsequent viel Zeit und Ressourcen investiert. Im Ergebnis hat sich allerdings eher ein Gefühl der Ernüchterung eingestellt, weil auch die Grenzen der Kommunikation sehr deutlich sichtbar wurden. So bezeichnet Johannes Vogel, Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt Universität zu Berlin, die Vorstellung als naiv „Fakten und Wissenschaft in die Gesellschaft zu kommunizieren, wo sie dann auf wundersame Weise aufgenommen, verinnerlicht und in rationales Handeln und Entscheiden umgewandelt werden“. Denialism – also die Leugnung auch objektiv belegbarer Sachverhalte – ist aktuell neben u.a. Virtualisierung und Nachhaltigkeit laut „Communications Trend Radar 2021“ der Akademischen Gesellschaft für Management und Kommunikation eine der prägenden Rahmenbedingungen für unsere Disziplin.
Die Beantwortung der Frage, wie wir dieser Herausforderung begegnen können, erzwingt eine Rückbesinnung auf das, was Kommunikation im Kern ausmacht. Hier wird der Blick zunächst leicht durch eine eher romantische, gelegentlich auch ideologische Überforderung dessen, was Kommunikation zwischen Menschen sein soll, verstellt. Der in Yale lehrende Medienhistoriker John Durham Peters spricht in diesem Zusammenhang vom „Traum der Kommunikation, der im Kern der Traum von geistiger Übereinstimmung“ sei. Es sei erforderlich, aus diesem Traum zu erwachen, ohne seine Inspiration zu verraten: „Zu sagen, dass geistige Übereinstimmung nicht möglich sei, bedeute nicht, dass Menschen nicht hervorragend kooperieren können“. Dazu genügt allerdings die Perfektionierung der Informationsübertragung, wie schon Niklas Luhmann herausgearbeitet hat, nicht: „Kommunikation ist keineswegs ein Vorgang der Übertragung von Sinn bzw. Information; sie ist die gemeinsame Aktualisierung von Sinn, die mindestens einen der Teilnehmer informiert“.
Diese Sinnaktualisierungen entziehen sich – wie die öffentliche Debatte um Themen wie Corona, den Klimawandel oder die weltweiten Migrationsbewegungen gezeigt haben – überkommenen Maßstäben der Moderne. Um es mit dem Soziologen Hans-Peter Müller zu sagen: Postmoderne Kommunikation ist von „wandelbaren Wahrheiten“, einer „ästhetischer Vielfalt“ und der „Pluralität von Stilen“ geprägt und ihre Atmosphäre ist von der Idee der „schrittweisen Weiterentwicklung“ und nicht vom „perfektionierenden Fortschritt“ bestimmt.
Für das Kommunikationsmanagement bedeuten das Ende vom „Traum der Kommunikation“ und die neue postmoderne Ungewissheit nicht das Ende, sondern die Chance für Aufbruch. Dafür muss allerdings aus gefühltem Unbehagen nicht gelingender Kommunikation ein Impuls der Rückbesinnung auf das Domänenwissen des Kommunikationsmanagements erfolgen. Dieses unterscheidet sich von den Moden der eingesetzten Instrumente, Formate und Plattformen und fordert zugleich eine unverwechselbare Rolle im Konzert der Managementdisziplinen ein. Es geht um den Aufbau von belastbaren Beziehungen mit Stakeholdern, für den das tiefe Verständnis wechselseitiger menschlicher Erwartungen und Bedürfnisse entscheidend ist. Das ist auch der Grund, warum das Wissen der Kommunikation zwar von KI-gestützter Prognosefähigkeit profitieren kann, aber im Kern nicht maschinell replizierbar ist. Die US-Ökonomen Ajay Agrawal, Joshua Gans und Avi Goldfarb unterscheiden hier in ihrer Analyse der Auswirkungen von KI auf die Wirtschaft zwischen „prediction machines“ und „human judgement“.
Dialog- und insbesondere Diskussionsfähigkeit avanciert im postmodernen Kommunikationsmanagement zur Schlüsseldisziplin. Die Politikwissenschaftler Jürgen Falter und Eckhard Jesse haben darauf hingewiesen, dass in Theologie und Rhetorik zwei Diskussionsformen unterschieden wurden: „In einer agonal angelegten Debatte wollen beide Seiten unbedingt gewinnen, in der symbouleutischen streben die Diskussionspartner durch Austausch von Argumenten danach, gemeinsam neue Erkenntnisse zu erarbeiten“. Ein in diesem Sinne verstandenes Kommunikationsmanagement, das die Menschen untereinander sowie mit Wirtschaft und Politik im Gespräch hält, kann ohne Frage einen wichtigen Beitrag zu gesellschaftlicher Stabilität im Angesicht komplexer und zunehmend krisenhaft zugespitzter wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen leisten.
Wer nun versucht ist, einfach auf die Potenziale der digitalen Kommunikation zu verweisen, mit denen wir es schon richten werden, dem sei Karl R. Poppers Verweis auf die abstrakte Gesellschaft in Erinnerung gerufen. Er beschrieb diese bereits 1945 (!) als Degeneration der offenen Gesellschaft: „Man kann sich eine Gesellschaftsform vorstellen, in der sich die Menschen praktisch niemals von Angesicht zu Angesicht sehen, in der alle Geschäfte von isolierten Individuen ausgeführt werden, die sich durch maschinengeschriebene Briefe oder durch Telegramme verständigen und die sich in geschlossenen Kraftfahrzeugen umherbewegen. … Die Menschen haben soziale Bedürfnisse, die sie in einer abstrakten Gesellschaft nicht befriedigen können“. Oder wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales es neulich auf den Punkt gebracht hat: „Ein Like ersetzt keine normale menschliche Interaktion“.