Sind wir jetzt alle Influencer? – vom Rollenverständnis im Kommunikationsmanagement

Rollenverständnis im Kommunikationsmanagement

Nein, aber die zunehmende Bedeutung von Influencern wirft Fragen zum ohnehin verschwommenen Selbstverständnis des Kommunikationsmanagements auf. Die Disziplin der Public Relations ist der technologischen und ökonomischen Knappheitslogik des massenmedialen Zeitalters entsprungen – und damit auch das Selbstverständnis ihrer Protagonisten als glaubwürdige Brückenbauer zwischen Absendern und Empfängern von Botschaften.

Auf Social Media gibt es keine Übertragungsknappheiten und jeder Nutzer ist Sender und Empfänger zugleich. Influencer nutzen diese Möglichkeit, um dauerhafte Anhängerschaft aufzubauen, indem sie ihren Followern attraktive Inhalte anbieten und sie als Gemeinschaft pflegen. Eine authentische Haltung ist ihr wesentlicher Erfolgsfaktor. Auch und vor allem wenn sie sich zu bestimmten Produkten oder Meinungen bekennen.

Influencer sind also tatsächlich Teil der Vertrauensökonomie des modernen Kommunikationsmanagements. Auch wenn sie sich gegenüber ihren Followern in der Regel als Laien bzw. Amateure – und damit gegen das wirtschaftliche oder auch politische Establishment – positionieren, müssen sie Qualitätsanforderungen erfüllen wie Kommunikationsmanager auch. Letztere verdanken ihren Erfolg allerdings in erster Linie ihrer Glaubwürdigkeit, während Influencer in der Regel ihre Haltung (zumindest mit) vermarkten.

WYSIWYG? – Kommunikationsmanagement zwischen Karte und Gebiet

Galileo Galilei formulierte trotzig sein „Und sie bewegt sich doch“, obwohl er unter dem Druck der Inquisition seine Erkenntnisse zum heliozentrischen Planetensystem widerrufen hatte. Von der realistischen Darstellung und Einschätzung dessen, was der Fall, ist hängt viel, manchmal sogar alles ab. Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der – wie Niklas Luhmann es schon Mitte der 90er Jahre festgestellt hat – unser Zugang zur Realität weitgehend medial vermittelt ist. Nicht nur orientieren wir uns in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens am Bild, das die Medien täglich von der Welt zeichnen; im Zeitalter der digitalen und vor allem der sozialen Medien sind wir selbst zu Gestaltern einer liquiden Kartographie der Wirklichkeit geworden. Kommunikationsmanagement lebt vom Anspruch, Medienlandschaften seismographisch zu vermessen und dann – Chancen und Risiken beachtend – (mit) zu gestalten. Wie Michel Houellebecqs alter Ego Jed Martin in seinem gleichnamigen Roman entfalten wir unsere Wirkung im Spannungsverhältnis zwischen „Karte und Gebiet“ – im Buch entsteht aus dem Abgleich zwischen Michelin-Straßenkarten und Satellitenbildern eine eigene Kunstform.

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Der Siegeszug einer scheiternden Disziplin – über das Unbehagen im Kommunikationsmanagement

Selten ist die Bedeutung gelungener Kommunikation so einstimmig beschworen worden wie in den Zeiten der Pandemie: Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben die Vermittlungsqualität auf eine Stufe mit der Suche nach angemessenen Sachlösungen gehoben und konsequent viel Zeit und Ressourcen investiert. Im Ergebnis hat sich allerdings eher ein Gefühl der Ernüchterung eingestellt, weil auch die Grenzen der Kommunikation sehr deutlich sichtbar wurden. So bezeichnet Johannes Vogel, Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt Universität zu Berlin, die Vorstellung als naiv „Fakten und Wissenschaft in die Gesellschaft zu kommunizieren, wo sie dann auf wundersame Weise aufgenommen, verinnerlicht und in rationales Handeln und Entscheiden umgewandelt werden“. Denialism – also die Leugnung auch objektiv belegbarer Sachverhalte – ist aktuell neben u.a. Virtualisierung und Nachhaltigkeit laut „Communications Trend Radar 2021“ der Akademischen Gesellschaft für Management und Kommunikation eine der prägenden Rahmenbedingungen für unsere Disziplin.

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Cui bono? – Risikokompetenz als Erfolgsfaktor strategischer Kommunikation

Es gehört zur Natur des Kommunikationsmanagements unter Zeitdruck und angesichts unvollständiger Informationen Entscheidungen zu treffen und deren Folgen zu antizipieren. Die Komplexität und die Dynamik dieser Aufgabenstellung haben im Zeitalter digitaler Kommunikationsnetze und sozialer Medien aber deutlich zugenommen. Neben der wachsenden quantitativen Unübersichtlichkeit des medialen Angebots wirken sich hier insbesondere die Selektionskriterien der Aufmerksamkeits-Ökonomie aus. Diese sind nicht neu, aber ihre Folgen sind in einer Zeit fundamentaler Umwälzungen bedeutsamer. Wie eine im Herbst 2020 in der Fachzeitschrift Political Communication auf der Grundlage von 300.000 Berichten englischsprachiger Medien zu Wissenschaftsthemen wie Klimawandel oder Folgewirkungen von Migration veröffentlichte Studie zeigt, gibt es einen media bias hin zur Herausstellung von Dissens auch dort, wo es weitgehende Übereinstimmung gibt. Nur in drei Prozent der analysierten Berichte wird explizit auf die Tatsache eines mehrheitlichen Konsenses hingewiesen. Konflikt genießt höhere Aufmerksamkeit und mediale Plattformen, die ihm die Bühne bereiten oder Zugang zu ihm verschaffen, haben Konjunktur. Der Druck auf Unternehmen, sich hier zu engagieren, wächst.

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Gedanken verschwenden, Widersprüche ertragen – Kommunikation im Anthropozän

Kürzlich sorgten die Ergebnisse einer Befragung von Studenten der Sozialwissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität für Stirnrunzeln. Just dort, wo man in der Tradition der ehrwürdigen Frankfurter Schule einen Hort der Diskursorientierung und kommunikativen Ethik vermutet hätte, konnten die Wissenschaftler Matthias Revers und Richard Traunmüller zeigen, dass sich Studierende häufig sprachlich angegriffen fühlen und dass sich ein Drittel bis die Hälfte für die Einschränkung der Meinungsfreiheit ausspricht, wenn es um kontroverse Fragen wie Geschlechterdifferenzierung oder Zuwanderung geht. Der Religionsphilosoph Ingolf Dalferth konstatiert in diesem Zusammenhang eine Ideologisierung der Universität, in deren Folge es nicht mehr um die Klärung von Sachfragen, sondern um die Durchsetzung von Wertorientierungen ginge.

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Alles bleibt neu in der Kommunikation!

Die Gegenwart befand sich schon vor Corona in der Krise: Die Dynamik der technologischen, wirtschaftlichen und in der Folge gesellschaftlichen Veränderungen seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts hat unser Zeitgefühl durcheinander gebracht. Der österreichische Philosoph Armen Avanessian nennt die aktuelle Erosion des traditionellen Primats der Gegenwart spekulative Zeitlichkeit. Er sieht im inflationären Gebrauch der Vorsilben prä- und post- ein Indiz für die Auflösung des Gegenwärtigen im kontinuierlichen Bezug auf Vergangenheit (seltener) und Zukunft (öfter). Soziologen wie Jens Beckert und  Elena Esposito schlagen hier die Brücke zu Wertschöpfungsprozessen im modernen Kapitalismus, in denen nicht mehr die Gegenwart (vor allem in Form von Arbeitszeit und Sachinvestitionen) für die Zukunft eingesetzt wird, sondern die Zukunft (in Form von Strategien, Visionen und Imaginationen) die Gegenwart erschafft.

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Kommunikation in pandemischen Zeiten – vom Umgang mit einem diffizilen Wirkstoff

Es besteht kein Zweifel: COVID-19 stellt uns nicht nur vor eine fundamentale medizinische Herausforderung. Das Virus konfrontiert uns auch mit einem „gigantischen Zivilisationstest“, wie der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen treffend konstatiert hat. Vom Versuch, diesen Test – zwischen Ängsten und Hoffnungen, zwischen Vertrauen und Kontrolle, zwischen Wissenschaft und Alltag – zu bestehen, ist unser Leben seit Wochen bestimmt. Mehr noch, unter dem Eindruck dieser neuen Herausforderung, die das Leben der Nachkriegsgeneration auf der ganzen Welt in eine Zeit davor und danach teilt, wird Bewährtes einem Stresstest unterzogen, bisher Undenkbares verordnet und völlig Neues ausprobiert – auch im Kommunikationsmanagement.

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Wie kommt das Neue in die PR? – Zum Fortschritt im Kommunikationsmanagement

Public Relations hat sich als moderne Managementfunktion erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert. Die Wurzeln des Berufsfelds reichen aber – wie Günter Bentele in seinen Arbeiten zur Geschichte der PR in Deutschland überzeugend dargelegt hat – weit über 200 Jahre zurück in die Zeit der preußischen Reformen. Seitdem hat sich die Disziplin in verschiedenen Phasen – Bentele unterscheidet sieben, von denen die letzte mit „Digitalisierung, Internet und Globalisierung“ die Epoche des „strategisch fundierten Kommunikationsmanagements“ einläutete – ausdifferenziert und professionalisiert.

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Unverzüglich in blühende Landschaften? – Transformation braucht Kommunikation und Zeit

Eine im Oktober von der Universität Leipzig vorgestellte Studie unter der Leitung von Ansgar Zerfaß offenbart – nicht zum ersten Mal – ein hohes Maß an Misstrauen und Unverständnis der deutschen und europäischen Bevölkerung gegenüber denjenigen, die wesentliche Verantwortung für die Herstellung von Öffentlichkeit tragen: Nur etwas mehr als acht Prozent der Deutschen vertraut Kommunikatoren und PR-Verantwortlichen. Journalisten ergeht es mit rund 17 Prozent nicht viel besser. Zum Vergleich: externe Berater und Wissenschaftler kommen auf 37 Prozent. Dabei wird das Kommunikationsmanagement in allen europäischen Ländern vor allem als Aufgabe wahrgenommen, die in der zielorientierten Steuerung von Kommunikation besteht (36 Prozent Zustimmung). Nur 26 % der Befragten verstehen den Aufbau von wertstiftenden Dialogen als wesentliche Aufgabe der PR.

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Sprachlos – Vom Sound der Kommunikation im digitalen Zeitalter

Fast war sie angesichts der Dominanz stehender und bewegter Bilder in Vergessenheit geraten. Jetzt wird mit zunehmender Sorge über ihre wachsende Verrohung, einseitige Instrumentalisierung und zunehmende Simplifizierung geklagt: gesprochene und geschriebene Sprache im öffentlichen Diskurs.

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