Wenn Kommunikationskanäle angesichts der Digitalisierung nicht mehr knapp sind, sondern via Social Media aus passiven Zielgruppen jederzeit aktive Stakeholder werden können, und zugleich die Anforderungen von externen wie internen Stakeholdern an Unternehmertum deutlich über wirtschaftlichen Erfolg hinausgehen, dann ergeben sich offensichtlich auch fundamental neue Anforderungen an erfolgreiche Unternehmenskommunikation.
Gelegentlich wird vor diesem Hintergrund auch schon der Abgesang auf die professionellen Kommunikatoren angestimmt. So argumentierte etwa der langjährige PR-Berater Robert Phillips in seinem 2015 erschienen Buch Trust me, PR is dead: “Unternehmen, denen man zukünftig vertraut, sind nicht auf PR und Kommunikation aufgebaut. … Sie interessieren sich für das Wohlbefinden ihrer Kunden und wollen nicht nur ´Zeug´verkaufen” (Phillips 2015, S. 53). Diese neuen Anforderungen an die Leistungsbilanz eines Unternehmens sorgen für kontinuierlichen Rechtfertigungsdruck. Wo in der Vergangenheit oftmals der Maßstab der Legalität zur Unterscheidung zwischen unternehmerisch “geboten” und “zu verwerfen” genügte, rückt heute der Aspekt der Legitimität – und damit die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz in den Vordergrund. In der Folge befinden sich Unternehmen mehr denn je im Zustand der latenten Kommunikationskrise.
Dieser Zustand wird nicht zuletzt durch die Wirkungsmechanismen der neuen medialen Hyper-Transparenz zusätzlich befördert. Anders gesagt: unser klassisches Verständnis von Öffentlichkeit, das Unternehmen und Gesellschaft als sorgfältig getrennte Sphären mit begrenzter und damit kontrollierbarer Schnittmenge versteht, ist überholt. Im Zeitalter der ökonomischen Postmoderne sorgen v.a. Social Media für ungeahnte Durchlässigkeit und damit für die weitgehende Überlappung der zuvor getrennten Sphären. Wir erleben nicht nur einen tiefgreifenden Wandel wirtschaftlicher Wertschöpfungsprozesse und kommunikativer Verhältnisse, sondern der Gesellschaft insgesamt.
Gordon Crovitz, ehemaliger Herausgeber des Wall Street Journal und genauer Beobachter der digitalen Zeitenwende, sagt fundamentale Umwälzungen voraus: “Wir überschätzen immer die kurzfristigen Auswirkungen einer neuen Technologie auf das Verhalten von Konsumenten – und unterschätzen dann ihre langfristigen Folgen”. Er spricht vom “First of Law of Technology” und nennt das Smartphone als treffendes Beispiel. Und der in Oxford lehrende italienische Philosoph Luciano Floridi betitelt sein 2015 hierzu erschienenes Buch gleich “Die 4. Revolution” und legt überzeugend dar, daß Alan Turing – als Ur-Vater der Informatik – unser Weltbild ähnlich weitreichend verändert hat, wie vor im nur Nikolaus Kopernikus, Charles Darwin und Sigmund Freud.
Damit stellt sich auch die Frage, welche signifikanten Auswirkungen dies für die Zukunft des Kommunikationsmanagements haben kann. Der stellvertretende Chefredakteur der britischen Ausgabe von Wired, Ben Hammersley, empfiehlt als Standardübung zur Überprüfung der Zukunftstauglichkeit von Produkten, Arbeitsweisen und Geschäftsmodellen im Übergang in die digitale Welt das Konzept des “Future Proofing”. Seine Annahme lautet: alles, was auf einem prozessbeschreibenden Flow-Chart dargestellt werden kann, wird zukünftig von Maschinen erledigt. Als Beispiele nennt er wesentliche Elemente juristischer und sogar medizinischer Beratung.
Stehen wir am Beginn eines Maschinenzeitalters der PR? Es steht außer Frage, daß neue mediale Optionen wie zum Beispiel die elektronischen Medien und dann eben auch das Internet die Gestaltungsmöglichkeiten (wie natürlich auch die Herausforderungen) der Kommunikationsarbeit erweitert haben. Zugleich helfen neue Verfahren der Datenauswertung und -verknüpfung bei der Herstellung detaillierter und zeitnaher Lagebilder. Sicher werden sich in den genannten Bereichen auch neue datenbasierte, echtzeit-orientierte Instrumente etablieren, die Effizienz und Effektivität des Kommunikationsmanagements steigern.
Der umgekehrte Turing-Test