Digitale Tools, analoges Denken – Zweifel als Leistungsbeitrag des Kommunikationsmanagements

Kaum haben wir uns auf die VUCA-Umweltbedingungen für Unternehmen im 21. Jahrhundert eingestellt, sehen wir uns mit noch höherer Komplexität konfrontiert. Der US-amerikanische Zukunftsforscher Jamais Cascio hat 2020 das Akronym BANI für das zukünftige Geschäftsklima geprägt: auf volatil folgt brüchig, aus unsicher wird ängstlich, eine zuvor (nur) komplexe Umgebung wird nicht-linear, was mehrdeutig war, wird unbegreiflich. Damit stellt sich bei allen Managementaufgaben die Frage, welche Beiträge sie auf dem Weg in eine zunehmend ungewisse Zukunft leisten können und was bei allen erforderlichen Anpassungen an die neuen Anforderungen ihren Wesenskern ausmacht.

Gleichzeitig sind die Erwartungen hoch – nicht zuletzt an eine Orientierungsdisziplin wie das Kommunikationsmanagement. Der erforderliche Abgleich mit vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten der Kommunikatorinnen und Kommunikatoren wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Vorstellungen in Schwesterdisziplinen des Managements zwischen völliger Unterschätzung und dramatischer Überschätzung kontinuierlich oszillieren. Das hat zum einen sicher mit der besonderen Aufgabenstellung zu tun, die irgendwo zwischen menschlichem Wesensmerkmal und magischem Virtuosentum wahrgenommen wird. Zugleich kann offensichtlich die Endlosschleife der medialen Auf- und Abregungslogik, die der Kommunikationsarbeit eine im Vergleich zu anderen, eher sequenziell arbeitenden Managementdisziplinen stark ausgeprägte Eigendynamik eingibt, für Außenstehende befremdlich wirken.

Ein Ausweg aus diesem Widerspruch zwischen wachsenden Anforderungen an den Leistungsbeitrag des Kommunikationsmanagements in BANI-Zeiten und gleichzeitiger Unklarheit darüber, was professionelle Kommunikation tatsächlich leisten kann (und was nicht), erweist sich bei genauerem Hinsehen als Sackgasse. Die Trennung zwischen Substanz und kommunikativer Vermittlung führt nicht nur zu Abläufen in Unternehmen, die den kommunikativen Ratschlag erst hinter – und damit zu spät – die Entscheidung in der Sache legen. Darüber hinaus kann es auch zu, wie Timo Frasch kürzlich treffend in der FAZ kommentiert hat, einem Verständnis von kommunizierenden Röhren der Kommunikation führen. Fundamentale Fragen liegen für ihn dann auf der Hand: „Je schlechter die Sache, desto besser muss die Kommunikation sein?“ und „Laufen große Kommunikatoren womöglich erst zu Höchstform auf, wenn sie den letzten Schrott als Durchbruch verkaufen müssen?“. In beiden Fällen liegt aber der tatsächliche Mehrwert des Kommunikationsmanagements nicht im Akt der Kommunikation gegen alle Widerstände, sondern in der entschlossenen und effektiven Beratung vor dem kommunikativen Akt an sich.

Wenngleich die aktuellen Debatten um die Zukunft des Kommunikationsmanagements vor allem von der weiteren Rolle digitaler Techniken und Künstlicher Intelligenz geprägt sind, zeigt sich hier die Anforderung des klassisch analogen Denkens, das Grauzonen erkennt, Zukunftserwartungen mit Handlungsoptionen abgleicht und v.a. Zweifel systematisch zulässt. Dabei können digitale Tools mit ihrer binären Logik bei der Durchdringung der Realität und der Klärung von Relevanzfragen zwar helfen, aber ihre eingebaute Neigung zur Gewissheit begrenzt zugleich ihre Wirkmächtigkeit. Die Schriftstellerin und Übersetzerin Anja Utler hat das kürzlich am Beispiel einer falschen KI-Übersetzung für ein (nicht ohne weiteres übersetzbares) russisches Wort nachvollzogen. Ihre These: „Das Handlungsmuster der KI – Wissenslücken schon in den winzigsten Kleinigkeiten abzustreiten – lässt den Zweifel als etwas absolut Unzulässiges erscheinen“.

Die Grenze zwischen fachlich begründetem Zweifel und destruktiver Bedenkenträgerei ist natürlich fließend und es steht außer Frage, dass unternehmerisches Kommunikationsmanagement sich nicht in der Rolle des verzagten Spielverderbers erschöpfen kann. Wenn Zweifel bei der kommunikativen Beratung aber mit begründenden Daten, alternativen Zukunftsprojektionen und konkreten Handlungsoptionen unterlegt wird, sind die besten Voraussetzungen für einen hochwertigen Leistungsbeitrag unserer Disziplin auch in Zeiten von BANI gegeben.

Wo kommunikativer Zweifel hingegen ignoriert wird, sei es, weil die Überzeugung von der hochwertigen Substanz der eigenen Sache unerschütterlich ist oder weil die glaubwürdige Vermittlung hin zu Anspruchsgruppen nur als Enabling des eigentlichen Unternehmertums – und damit als zu vernachlässigend – wahrgenommen wird, scheitert auch zukünftig nicht nur das Kommunikationsmanagement.

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