Verweise auf Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität als wesentliche Rahmenbedingungen gehören zur Debatte um die Zukunft des Kommunikationsmanagements. Globale Finanzkrisen, digitale Disruptionen, beschleunigter Klimawandel, Corona-Pandemie, heraufziehender Stakeholder-Kapitalismus sind konkrete Belege für ein zunehmend unübersichtliches, von Gemengelagen aus Chancen und Risiken geprägtes Umfeld – insbesondere für die Wirtschaft. Der Soziologe Ulrich Beck sprach vom Übergang der klassischen Industriegesellschaft in eine katastrophale Gesellschaft, die zunehmend den Ausnahmezustand als Normalzustand erlebe.
Was der 2015 verstorbene Beck noch nicht wissen konnte: In den vergangenen zehn Jahren sind in diesem v.a. für das internationale Kommunikationsmanagement unwegsamen Gelände zusätzlich die fundamentalen Wegweiser verstellt worden: Die wirtschaftliche Globalisierung wird aus unterschiedlichsten Lagern kritisiert und jetzt ist auch der Multilateralismus als Prinzip der internationalen Politik in Frage gestellt, wie der Krieg in der Ukraine auf unerträgliche Weise zeigt. Im Ergebnis betreiben global agierende Unternehmen mit wachsendem Aufwand und unter kritischer Beobachtung weltweit vernetzte Lieferketten, um auf globalen Märkten zu bestehen, während Weltbilder und Interessenlagen zwischen Staaten – und innerhalb von Gesellschaften – stärker divergieren als in den Jahrzehnten zuvor.
In dieser postmodernen Konstellation stellen sich der Kommunikation wie dem Management und –wie gerade in Deutschland täglich in den Nachrichten dokumentiert wird – auch der politischen Führung neue Aufgaben. Robustheit und Resilienz sind die Begriffe, die in diesem Zusammenhang hoch im Kurs stehen. Beide Herangehensweisen – das auf Stabilität und Absicherung bestehender Strukturen und Prozesse ausgerichtete Konzept der Robustheit und die vor allem auf Flexibilität und Anpassung abzielende Zielstellung der Resilienz – erfordern auch vom Kommunikationsmanagement einen neuen Beitrag: Es geht in unserer Disziplin immer seltener um eindeutige und mit einem klaren Zielbild versehene Aufgabenstellungen wie Reputationsaufbau oder Krisenbewältigung, sondern um die balancierte Positionierung des Unternehmens in Dilemma-Konstellationen zwischen alten und neuen Legitimitätsanforderungen, zwischen kurzfristigen und langfristigen Erfolgsfaktoren, zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Wirkungen.
Dabei bewegen wir uns in einem kommunikativen Umfeld, in dem realistische Lageeinschätzungen immer anspruchsvoller werden, weil die Anzahl der menschlichen und artifiziellen Akteure geradezu explodiert ist und damit auch die Anzahl oft widersprüchlicher Anforderungen und Erwartungen. „Die volatile Gesellschaft erreicht rasch hohe Betriebstemperatur“, beschreibt der Verfassungsrechtler Udo die Fabio das hieraus resultierende Kommunikationsklima. Umso wichtiger ist es, das eigene Handeln an klaren Kriterien und Wertbezügen zu orientieren. Bundeskanzler Olaf Scholz wird vom TIME Magazine mit der Aussage zitiert, dass „man als gute Führungspersönlichkeit auf das Volk hört, aber nie meint, dass das Volk auch genau das will, was es sagt“. Wolfgang Schäuble hält es gleichfalls für entscheidend, „dem Volk aufs Maul zu schauen, aber nicht nach dem Mund zu reden“.
Es genügt in der kommunikativen Vermittlung von Wirtschaft und Politik gleichermaßen nicht, einfach nur die Nachfrage zu bedienen. Zwischen den Stühlen – das wird immer öfter die unbequeme Position sein, in der sich auch Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung wiederfinden. Die Unternehmenskommunikation wird damit in Selbstverständnis und Vorgehensweise immer stärker zum Risikomanagement, mit dessen Hilfe kurzfristig entscheidender wirtschaftlicher Erfolg und langfristig entscheidende soziale Akzeptanz balanciert werden. Für Resilienz durch Kommunikationsmanagement braucht es daher Resilienz im Kommunikationsmanagement und also vor allem den kontinuierlichen Abgleich zwischen daten-basiertem Fremdbild und werte-orientiertem Eigenbild, die Bereitschaft gewonnene Reputation nicht nur aufzubauen, sondern auch zu investieren und die Kraft, im Gegenwind gesellschaftlicher Diskurslagen für Überzeugungen einzutreten, ohne entsprechende Risiken zu unterschätzen. Kommunikationsmanagement als Beruf in dieser Zeitenwende ist – wie Max Weber es 1919 für „Politik als Beruf“ formuliert hat – starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“.